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BLEU de Chanel

Perfekt ist es anders als erwartet. 

Als Student in ostasiatischer Kunstgeschichte habe ich mit 21 in einer Asiatica Auktion ein kleines altes Bild (18. Jh) ersteigert. Es zeigt den Buddha im Augenblick seiner Erleuchtung, mit Schülern unter dem Bodhi-Baum sitzend und disputierend. Es ist eine Miniaturmalerei, auf ein Blatt eben des Bodhi Trees gemalt – jenes Baumes, unter dem ihm die Erleuchtung zufiel.

In der Auktion fiel das Blatt mir zu; ich konnte es nicht bezahlen, musste mir also das Geld borgen und über Monate abstottern.

Nun stehe ich also im heiligen Bodh Gaya unter dem Bodhi Tree und kippe zum World Peace Festival aus einer Schale Reisin den wachsenden Mandala-Turm. Mein Blick geht nach oben ins Geäst des mächtigen Bodhi-Baums und ins Himmelblau zwischen Blättern und Zweigen. Es erinnert mich daran, dass ich in Bern immer wieder mal in einen alten, mächtigen Baum hinter dem Haus schaue und ein paar Sätze notiere über die ganz gewöhnlichen Umstände, in deren er steht: das Licht, die Farbe, die Töne, die Vögel darin, den Himmel darüber ... Ich hatte mir vorgenommen, auch in Indien einen Baum (vor dem Haus oder hinter ihm, so war mein Plan) in den Fokus zu holen. Diesen Plan (Indien ist ohne Plan zu nehmen, um gesehen werden zu können) habe ich dann hier in der Vielfalt des Erlebten einfach vergessen.

In genau diesem Augenblick, als ich ins Geäst schaue, erinnere ich mich daran. Da löst sich ein Blatt, segelt wankend herab und fällt vor die Hände eines Mönches, der neben mir unter der Baumkrone meditiert. Über sein Gesicht fährt ob diesem Geschenk aus dem Himmel ein Leuchten. Es unterbricht seine reglose Ruhe. Er durchsucht seine Tasche nach etwas Festem, in dem er das Blatt knitterfrei bewahren könne. Ein Buch findet sich in der Tasche nicht, es liegt schon vor ihm, aufgefaltet zum singenden Gebet. So zieht er eine Schachtel von der exakten Grösse des Blattes heraus und entnimmt ihr ein Flacon – BLEU DE CHANEL. Das Bodhi-Baum-Blatt findet in der tief blauen Schachtel seine Bleibe.

Der Mönch hebt an, den Mandala-Turm aus Reis mit dem Stäuber zu umkreisen und das Flacon in duftende Wolken zu entleeren. Eine Fälschung aus China wohl, die in zehn Minuten verduften wird, das dachte ich mir.

Das Blatt aber wird bleiben. Kleine Ursache, grosse Wirkung.














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